Zusammen mit Memory selbst-bewusst-lernen und Schülerinnen und Schüler der 6., 7. und 8. Klasse eines Offenbacher Gymnasiums (insgesamt 22 Schüler) machten wir uns freitags auf den Weg nach Bad Endbach um bis Sonntag Abends 18 Uhr ein Buch geschrieben zu haben.
Wie das im groben Abläuft, was die Gedanken dahinter sind und warum wir Kinder häufig unterschätzen, darauf möchten wir in diesem Beitrag ein bisschen eingehen.
Das Ziel des Buchprojekts
Das Buchprojekt hat das Ziel, dass die Schüler in eigenständiger Arbeit innerhalb von 3 Tagen ein Buch schreiben. Dabei ist Eigenständigkeit das A und O. Die Erwachsenen Begleiter (dieses Mal 3 Lerntherapeuten und 3 Lehrkräfte) sind zur Unterstützung dabei, nicht aber zur Steuerung des Ganzen. Am Ende sollen die Schüler*innen Buchautoren sein – aus eigener Kraft und Anstrengung heraus. Wichtig zu sagen ist, dass das Scheitern immer eine Möglichkeit sein muss. Wenn die Schüler es nicht hinkriegen – aus welchen Gründen auch immer – steht am Ende eben kein Buch. Das ist dann die logische Konsequenz aus dem Verhalten und den Anstrengungen der drei Tage. Glücklicherweise kam dies noch nicht vor.
Die Auswahl der Teilnehmer
Ein wichtiger Aspekt ist sicher, welche Schüler*innen mit zum Buchprojekt fahren. Die Schüler*innen wurden von den Lehrkräften des Gymnasiums ausgewählt, die Teilnahme ist aber absolut freiwillig – einige Schüler schrieben sogar am Montag nach dem anstrengenden Wochenende Klausuren. Dadurch ist sichergestellt, dass die Motivation, ein Buch zu schreiben, vorhanden ist. Trotzdem gibt es natürlich Kriterien zur Auswahl der Schüler. Sei es, dass die Schüler lernen sollten selbstständig zu arbeiten, zu formulieren, sich zu organisieren oder sich in einer Gruppe durchzusetzen. Der Lerneffekt eines solchen Projekts kann vielfältig sein und das fertige Buch mag Motivation und vorrangiges Ziel sein, es ist aber nicht der eigentliche Lerneffekt.
Der erste Tag
Der erste Tag beginnt logischerweise mit der Fahrt zur Herberge. Bad Endbach war unser Ziel und somit hatten wir eine Busfahrt von ca. 1 1/2 Stunden vor uns. Die Schüler bereiteten das Projekt bereits in der Schule vor, beschäftigten sich mit den bereits geschriebenen Büchern und sammelten Ideen für eine Fortsetzung. Dieser Prozess sollte auf der Busfahrt wiederholt werden. Jeder für sich sollte sich in die Geschichte eindenken, um vor Ort direkt loslegen zu können.
Der rote Faden – Duell der Ideen
In der Herberge angekommen, wurden die Zimmer zugeteilt und schon ging es mit der Arbeit am Buch los. Es musste sich auf ein Geschichte geeinigt werden. Ein roter Faden. Was soll passieren? Die Schüler bekamen Zeit ihre Idee der Geschichte in Stichpunkten auszuarbeiten um diese anschließend zu präsentieren. In einer Art Schweizer Turniersystem traten immer 2 Schüler gegeneinenader an, präsentierten ihre Ideen und die restlichen Schüler stimmen ab, welche Idee sie besser finden. So wurde jede Runde das Teilnehmerfeld halbiert – die ausgeschiedenen Schüler wurden Schülern, welche noch am Wettbewerb teilnahmen, zugelost um diese mit ihren Ideen zu unterstützen. Stück für Stück kristallisierten sich immer konkretere Ideen heraus, bis sich auf eine Idee geeinigt wurde. Welche? Das erfahren Sie dann im fertigen Buch!
Das Gliedern der Geschichte
Nachdem der rote Faden stand, ging es daran diesen zu Gliedern. Was soll genau passieren, was ist der Hauptstrang der Geschichte, was sind Nebengeschichten. Witz, Spannung – wie führt man das zusammen? Ziel war ein Flussdiagram zu erstellen, wofür die 22 Schüler in 2 Gruppen eingeteilt wurden.
Ein gar nicht so einfaches Unterfangen. Gliedern, strukturieren und aufschreiben. Die Schüler kamen an ihre erste Grenze. Im Nacken der Zeitdruck – Sonntag 18 Uhr. Wenn bis dahin kein Buch fertig ist, dann gibt es eben keines. Anlauf für Anlauf verbesserten sich die Diagramme. Die Schüler stellten sich ihre Gruppenergebnisse vor und verbesserten diese gemeinsam. Nun ging es zum nächsten Schritt:
Aufteilen der Kapitel
22 Schüler – 22 Kapitel sollte das Buch haben, so dass jeder Schüler ein Kapitel schreibt. Also muss die Geschichte konkreter werden und in 22 Kapitel eingeteilt werden. Mit Überschrift und konkreten Stichpunkten was in diesem oder jenem Kapitel passieren muss. Damit das Kind, welches das Kapitel am Ende schreiben muss, auch weiß, was es schreiben muss. Der nächste Knackpunkt stand bevor. Konkret werden, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. Die wichtigen Punkte der Geschichte identifizieren ohne darüber zu sprechen was genau es nun in der Geschichte zum Abendessen gibt. Die Schüler taten sich sichtlich schwer damit, so dass wir um 22 Uhr den Freitag beendeten und am nächsten Tag weiter machten.
Tag 2
Nach dem Frühstück ging es direkt weiter. Die Zeit hängt uns langsam im Nacken. Eigentlich soll am Samstag geschrieben werden und wir stehen noch bei der Definition der einzelnen Kapitel. Let’s go! Der Arbeitswille ist deutlich höher als Freitag Abend. Trotzdem dauerte es bis 16 Uhr, bis die letzten Kapitel standen.
Wer schreibt was?
Die Einteilung wer welches Kapitel schreibt ging unfassbar unkompliziert von statten. Obwohl einzelne Schüler deutliche Prioritäten hatten, sorgte eine Verteilung der Reihe nach für keinerlei Probleme. Die Schüler hatten den Willen das Buch zu vollenden. Die Geschichte war gut und spannend, das Potential für ein tolles Buch ist da. Doch klappt das Schreiben der Kapitel?
Jetzt geht’s ans Eingemachte – Das Schreiben
Jetzt war jeder für sich gefragt. Das eigene Kapitel schreiben, mit dem Schüler des vorherigen und nachfolgenden Kapitels für den Übergang abstimmen und darauf achten innerhalb der Grenzen des eigenen Kapitels zu bleiben. Gar nicht so einfach! Die Schüler schrieben motiviert und die ersten Ergebnisse standen Samstag Abend schon. Zeit die Anstrengung zu unterbrechen und eine kleine Filmpause einzulegen. Bequem machen, Chips und Süßigkeiten naschen – Film ab!
Tag 3
Für Sonntag stand noch einiges auf dem Plan. Kapitel fertig schreiben. Titel für das Buch finden. Fotos der Schüler für das Buch machen. Bilder für das eigene Kapitel zeichnen und natürlich das Geschriebene optimieren. Auch hierbei galt wieder: Wir Erwachsenen sind nur Impulsgeber – keine Lenker. Die Rechtschreibung sprachen wir beim abtippen der handgeschriebenen Texte (mind. 4 DIN A4 Seiten) mit den Schülern durch und korrigierten diese. Grammatik und Stil wurden nicht korrigiert, höchstens angeregt da noch was zu verändern. Was die Schüler am Ende veränderten blieb ihre Sache, es ist schließlich ihr Buch. Nach einem Marathon aus korrigieren, abtippen, ausdrucken und absprechen standen tatsächlich alle Kapitel und jedes Kind hatte eine computergeschriebene Version in der Hand. Zeit einen Titel zu suchen. Auch dieser wurde frei von den Schülern entschieden – ein spannender Moment um zu beobachten wie sich einzelne Schüler durchsetzen können, argumentieren können oder bei dem kleinsten Gegenwind aufgeben.
Nach dem Titel folgten die Fotos und der Reisebus war auch schon in Sicht. Noch schnell die Kapitel vorlesen und Feedback geben – Logiklücken aufdecken und ab in den Bus Richtung Offenbach.
Was noch zu tun ist
Ja, normalerweise soll alles auf der Buchfahrt passieren. Auch das Finden von Logiklöchern und ähnlichem. Doch den Schülern ein quasi fertiges Buch zu enthalten wäre kontraproduktiv. Man muss auch die eigenen Grundsätze aufweichen können. Die Schüler bekommen also in der Schule noch Mal Zeit ihre Texte anzugleichen und Logiklöcher zu stopfen. Am Ende geht das Buch in den Druck. Mit Coverillustrationen und den gemalten Bildern der Kinder.
Die Buchreise
Geplant ist, dass die Schüler, sobald das Buch gedruckt ist, eine Woche lang auf “Buchreise” gehen. D.h. die Schüler stellen ihr Buch in Grundschulen und Büchereien vor und präsentieren sich als Buchautoren. Der Effekt ist klar: Die Kinder sind stolz auf ihre Leistung
Die Lernerfahrungen
Die Schüler haben jeder für sich ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht, Sich durchzusetzen und für die eigene Idee einzustehen. Eigenständiges Arbeiten. Gliedern und Strukturieren. Durchhalten und nicht aufgeben. Gemeinsam ein Ziel erreichen, welches man sich selbst gesetzt hat. Die Lernerfahrungen sind vielfältig und für jedes Kind individuell. Sie reichen vom fachlichen bis in den allgemeinen Bereich. Ideen entwickeln, sich die Geschichte vorstellen, formulieren, Gedanken miteinander abgleichen – all das sind Kompetenzen, die weit über das Fach Deutsch hinaus gehen. In der Schule ist es oft schwierig diese Lernerfahrungen, besonders in dieser Intensität, zu machen. Daher ist solch ein Wochenende eine super Gelegenheit den Erfahrungsschatz der Schüler zu erweitern und auch die Lehrkräfte haben die Gelegenheit die Schüler in einem neuen Kontext zu erleben.